Schlagworte: Freude, Mitleid, Freund
„Mitfreude, nicht Mitleiden, macht den Freund.“
Friedrich Nietzsche (Werk: Menschliches, Allzumenschliches I, Aph. 499)
429 Stimmen:
Reinhard Knoppka 03.10.2009, 08:41 Uhr
Dabei war er einer der größten Mitleidenden. Aber gut ist sein Spruch trotzdem. Mitleid ist billig zu haben - aber Mitfreude? Dem steht oft Neid und Mißgunst im Wege. Nietzsche hat ja auch und gerade das Mitleid, zumal im Christentum, radikal entlarvt.
H. Smidt 03.10.2009, 09:32 Uhr
Ich denke, mit jemandem mit zu leiden ist nicht einfach. Den Schmerz des anderen nachempfinden; sich in ihn hinein versetzen; zu verstehen wie sich der andere in diesem Leid und Schmerz gerade fühlt...
...und es hat etwas Tröstendes, wenn man sich in seinem Schmerz verstanden fühlt.
Aber geheucheltes Mitleid und geheuchelte Freue wünscht sich niemand.
H. Smidt 03.10.2009, 10:11 Uhr
...Freude...
Myson 03.10.2009, 13:51 Uhr
Mitleid (oder Mitgefühl, wie man heute eher sagen wurde) UND Mitfreude "machen den Freund" aus. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar.
Murmel 03.10.2009, 14:20 Uhr
Ich denke, @Myson, Mitgefühl und Mitleid sind nicht dasselbe. Mitgefühl steht meiner Meinung nach über dem Mitleiden, es kommt aus dem tiefsten Kern meiner Person. Anders als das Mitleid, das ja ein Leiden voraussetzt,teilt Mitgefühl a u c h die Freude und das Glück des anderen.
Matthias Pleye 03.10.2009, 14:56 Uhr
Das sehe ich genauso. Nietzsche war eben Philologe und hat sich die Wortbestandteile sehr genau angesehen. Das reicht zuweilen völlig aus.
Senftopf 03.10.2009, 15:01 Uhr
Richtig, @Murmel,für das Wort "Mitleid" könnte man auch "Kondulenz" einsetzen, "Mitgefühl" beinhaltet dagegen ALLES, ehrliche Freude und Trauer ...
Senftopf 03.10.2009, 15:05 Uhr
Korr._ Kond- o -lenz...
Myson 03.10.2009, 15:26 Uhr
Oder Empathie.
Aber Mitfreude allein - wie Nietzsche es geschrieben hat - reicht nicht. Hört sich nach einer Freundschaft für die Sonnentage des Lebens an.
Murmel 03.10.2009, 16:52 Uhr
Mitgefühl findet irgendwie auf gleicher Augenhöhe statt. Ich identifiziere mich, solidarisiere mich.
Das Mitleid muß es zwar auch geben. Am Buddhismus genauso wie bei Schopenhauer stört mich die Hochschätzung in das sittliche Monopol des Mitleids, es erscheint mir als Herablassung.
Mitgefühl drückt mehr als Bedauern oder Bemitleiden aus. Es ist Nächstenliebe. die das Christentum vermitteln will.
Myson 03.10.2009, 17:20 Uhr
Nächstenliebe halte ich für illusorisch. Und bedeutet im Christentum lediglich die Menschenliebe, für die Tiere haben sie nicht allzu viel übrig gehabt damals.
Viele Menschen stören sich an dem Wort Mitleid, weil mitfühlen es besser trifft. (Ich fühle mit dem Anderen, aber ich leide nicht mit ihm.) Gemeint ist aber oft dasselbe. Mitleid kann mich dazu veranlassen zu handeln, zu helfen. Aber ein unbedingtes Sollen wie in den zehn Geboten wird mich zu gar nichts veranlassen.
Neumann 03.10.2009, 18:38 Uhr
...und Mitleid ist für viele auch eine Waffe, andere per Schuldgefühle zu manipulieren...zum eigenen Vorteil. Manches "Leid", das "Mitleidende" nötig hat, will Aufmerksamkeit erheischen...und wäre ohne "Mitleidende"...gar nicht so tragisch.
Murmel 03.10.2009, 18:47 Uhr
@Myson
Mitgefühl wird meiner Meinung nach der Nächstenliebe gerecht. Wer es hat, schenkt es allem Lebendigen.
Man kann mit einem Menschen nur dann wahrhaft mitleiden, wenn einem das Gefühl dafür nicht verloren gegangen ist. Ebenso verhält es sich mit dem Mitfreuen. Mitgefühl ist persönlich, unverwechselbar, beruht nicht auf Ansteckung oder auf Manipulation. Das Leiden ist somit dem Fühlen untergeordnet.
Myson 03.10.2009, 20:10 Uhr
Die meisten Menschen verwenden die Begriffe Mitleid und Mitgefühl gleichbedeutend, wobei das Wort Mitleid heute einen leicht negativen Touch hat. - "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" (die sogenannte Nächstenliebe) ist eine Aufforderung an die Menschen, diktiert von einem Gott und aufgenommen von Moses, "seinem Sekretär"; besser wäre vielleicht: "Habe Respekt vor allen Lebewesen". Und das ist schon schwer genug.
Der wahre Wolfgang 04.10.2009, 00:09 Uhr
Mitleid (als Anteilnahme am Leiden anderer)und Mitgefühl sind Begriffe, die synonym gebraucht werden. Das Mitleid drückt eine Möglichkeit des Mitfühlens aus. Wer mitfühlt, der kann sowohl Mitleid als auch Mitfreude empfinden. Nietzsche hat das "Mitgefühl" fälschlicherweise -jedenfalls etymologisch betrachtet- vom "Mitleid" abgesetzt. Trotzdem scheint ihm das "Mitfreuen" aber ein wahrhaftigeres, teilnahmsvolleres und wirklich auf den Anderen bezogenes "Mitgefühl" zu sein. Der Mitfühlende -oder genauer: Mitfreuende- geht in und mit der Freude des Anderen auf und insofern findet schon so etwas wie eine emotionale Symbiose statt.
Selbst bei aufrichtigem und ehrlich gemeintem Mitleid wird eine emotionale und zwischenmenschliche Distanz bestehen bleiben (können). Mit Mitleid allein wird noch keine dauerhafte und tiefere Beziehung initiiert werden können.
Nach Nietzsche ist man dem Menschen, mit dem man sich freut, dauerhafter zugewandt als dem, mit man ("nur") mitleidet. Das Mitleid - als "nachempfundene" Emotion- ist eben nicht das "Leid in mir". Der eigentlich Leidende ist der Andere.
Die Emotion der "Mitfreude" ist weniger "nachempfunden". Sie ist vielmehr auch im Mitfreuenden "verankert" und daraus leitet Nietzsche wohl auch stärkere Bindungsimpulse ab.
Reinhard Knoppka 04.10.2009, 09:10 Uhr
„Mitfreude, nicht Mitleiden, macht den Freund.“
Nietzsche war in erster Linie ein Philosoph des Nein-Sagens. Er nannte das "Umwertung aller Werte". Insofern verstehe ich diesen Spruch (und man sollte ihn unbedingt im Kontext seiner Philosophie sehen) erst mal als eine Umkehrung bestehender Selbstverständlichkeiten. Ein ähnliches Beispiel ist sein Spruch: "Wer sich selbst erniedrigt, will erhöht werden."
Da zielt er vor allem gegen die damals übermächtigen, aus seiner Sicht oft heuchlerischen christlichen Werte, gegen die er zu Felde zog. Gerade im Christentum ist ja viel von Nächstenliebe die Rede (im Gegenzug hat das "nächstenliebende" Christentum sich in der Welt als Feigenblatt grausamer Machthaber entlarvt): das hat Nietzsche näher untersucht und das Faule daran heraus seziert. Demnach war mit Menschenliebe oft nur die Eigenliebe gemeint, die sich unter der Maske der Nächstenliebe versteckte. Nichts weiter als: wir sollen alle gleich sein - wer mehr ist, wird abgeschnitten. Er war ja auch ein Gegner des Kommunismus als Philosophie absoluter Gleichmacherei: da entwickelt sich die Menschheit nicht weiter, weil jeder kluge Kopf - um denselben kürzer gemacht wird.
Insofern ist ein Begriff wie "Mitleid" erst mal etwas Suspektes für ihn.
Er sagte auch: "Es hat nur einen Christen gegeben - Christus."
Hat er selber nicht kurz vor seinem geistigen Zusammenbruch Briefe mit "Christus" unterschrieben? Und in der Tat: er soll kurz vorher, auf öffentlicher Straße, einem geschundenen Droschkengaul vor Mitleid um den Hals gefallen sein: das erscheint mir, in diesem Zusammenhang, bedeutungsvoll.
Murmel 04.10.2009, 11:24 Uhr
Ich möchte sagen, Mitgefühl macht das Mitleiden erst möglich. Ebenso ist Mitgefühl Voraussetzung für die Mitfreude. Ich fühle das Leid im anderen Menschen und ich fühle die Freude im anderen Menschen und habe jeweils daran anteil.Diese Nächstenliebe schwächt keine Partei.Man kann nicht in der Freude einem Menschen wahrhaft zugewandt sein und im Leiden nicht. Da ist dann meiner Meinung nach Manipulation im Spiel. Nietsche hat nicht genug differenziert.
@Reinhard Knoppka, ich möchte darauf hinweisen: "Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden" ist die Aussage von Jesus Christus.
Murmel 04.10.2009, 11:36 Uhr
@ R. Knoppka, Entschuldigung, ich habe falsch gelesen.
Aber ich bin nicht misstraurisch wie Nietzsche, und die Aussage von Jesus Christus habe ich als wahr erfahren.
Reinhard Knoppka 04.10.2009, 18:23 Uhr
Murmel, Nietzsche ja auch. Er hat sich doch eigentlich mit Jesus identifiziert. Darum war er auch so zornig gegen seine "Stellvertreter". So wie Jesus die Geschäftemacher aus dem Tempel vertrieben hat, so hat Nietzsche die Verbal-Peitsche über die Jesus-Bereicherer geschwungen. Und ich finde, Nitzsche hatte allen Grund, mißtrauisch zu sein: was wurde nicht alles im Namen Christi verbrochen?! Es ist nun mal so, daß manch einer sich selbst erniedrigt - aus strategischen Gründen.
Neumann 05.10.2009, 13:14 Uhr
Nietzsche hat seine Wahnsinnszettel jedoch nicht nur mit "Christus" unterschrieben, sondern abwechselnd auch mit "Dionysos", der das Gegenstück bildet...Lebensbejahung, Ekstase, ein wilder Gott, der seine Anhänger beglückt und seine Gegner bzw. Zweifler gnadenlos brutal vernichtet (da gibts kein Mitleid).
ZEN 28.07.2018, 14:01 Uhr
Reinhard Knoppka 04.10.2009, 09:10 Uhr >> Nietzsche war in erster Linie ein Philosoph des Nein-Sagens. <<
Ob in erster, zweiter oder siebenundzwanzigster Linie ist wurscht:
Es gibt keinen "Philosoph des Nein-Sagens", keinen des "Ja-" oder
Sonstwas-Sagens. Es gibt keinen "Teil"-Philosophen.
Der
Philosoph ist
offen für die Wahrheit,
wie immer sie auch aussehen
und dem Philosophen schmecken mag.
Alles andere... ist bedeutungslose Schriftstellerei.
ZEN
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