Schlagworte: Wissenschaft, Glauben, Forschung
„Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen.“
492 Stimmen:
Zenpoetin 12.09.2010, 12:12 Uhr
Ich würde eher sagen:
Es gibt viel, was wir noch nicht begriffen haben - und deshalb forschen wir.
Als unbegreiflich bezeichnen Menschen gern Dinge, die ihnen selbst zu hoch sind - weil jeder sich als Maß aller Dinge versteht.
Es ist eher die Denkfaulheit, die Menschen dumm bleiben lässt, weniger die Fähigkeit ihres Gehirns... Und es ist das rechthaberische Beharren auf der eigenen Dummheit, das Menschen daran hindert, geistige Fortschritte zu machen.
Ich habe eher den Eindruck, dass sich die Spezies Homo langsam unterteilt in zwei Sparten:
a) Eigensinnige Deppen, die meinen, raffen und dominieren sei wichtig...
b) Neugierige Forscher, die Erkenntnisse suchen, ihr Verhalten daran orientieren und sich dabei flexibel weiter entwickeln.
Knut Hacker 12.09.2010, 19:40 Uhr
Was heißt "begreifen" und "unbegreiflich" (Zitat)? Mit Begriffen kann man nichts begreifen.Der Verstand ist ein selbstbezügliches System(Gödelscher Unbestimmtheitssatz).Angenommen, man fände die "Weltformel", nach der Hawking sucht,-sie könnte sich selbst nicht erklären, denn es blieben die Fragen: Warum gibt es eine Weltformel? Warum gerade diese und keine andere?
Andreas 12.09.2010, 23:50 Uhr
Mist, mein Kommentar wurde gefressen, daher in aller Schnelle:
Ich denke der Glaube, dass es noch nicht begriffen ist, ist genau das was Goethe meint. Wer kein Vertrauen in die Grundfeste seines Handelns hat kann ja nur zerbrechen.
Zu Gödel:
Gödel hat doch gezeigt, dass jedes hinreichend mächtige formelle System zu Aussagen führt/gestattet, die es nicht belegen noch widerlegen kann. Das meiner Meinung nach in erster Linie gegen die Mächtigkeit von Formalismen als gegen die des menschlichen Verstandes. Man kann ja die Erkenntnisse des Formalismus dankbar mitnehmen und die interessanten Aussagen außerdem seiner Reichweite auf andere Wege angehen.
Knut Hacker 13.09.2010, 19:36 Uhr
Hallo Andreas,
das ist mir auch schon laufend passiert, dass meine Beiträge beim Absenden unwiederbringlich im Orkus verschwinden. Hast du dafür eine Erklärung? Ich habe die Lehre daraus gezogen und diktiere daher erst ins Schreibprogramm.
Gödel hat zwei Unvollständigkeitssätze statuiert.Beide beziehen sich unmittelbar auf mathematische und damit formale Systeme.Sie lassen sich aber verallgemeinern und – wie in der Systemtheorie – auf alle Systeme beziehen.Das ergibt sich aus der Begründung, dass Aussagen „über“ etwas einer „Über“ - Ebene (Meta-Ebene) bedürfen. Das ist eigentlich nicht neu, sondern ergibt sich bereits aus der allgemeinen Logik und ist als „ Münchhausen-Trilemma“ bekannt gewesen.
Letztlich handelt es sich um das Problem der sogenannten Letztbegründungen. Ich erlaube mir – da ich mir darüber Gedanken gemacht habe – dies etwas näher zu behandeln, obwohl ich befürchte, dass ich wieder einen Sturm der Entrüstung unter den Forumsteilnehmern entfache, die mir einfach nicht glauben können oder wollen, dass es mir nicht um Selbstdarstellung, sondern um disputatae et disputandae geht.
Die Frage nach dem letzten Grund führt zu Aporien des Denkens:
Welchen Grund sollen Gründe denn haben?
Eigenschaften und Beziehungen (Gründe und Zwecke) begründen das Individuelle. Sie können daher dem Universalen nicht zukommen.
So hat jedes individuell Seiende einen Grund – und sei es auch nur in Gestalt des Zufalles, das heißt eines selbst grundlosen letzten Grundes - , der universale Umstand, dass es überhaupt das individuell Seiende und Seiendes überhaupt gibt, aber nicht. Das Sein und seine Ausgestaltung als Sosein sind kontingent. Eigenschaften und Beziehungen sind selbst etwas Seiendes und können daher nur innerhalb des Seins, nicht für das Sein selbst und das damit zwangsläufig verbundene Sosein gelten.
Die Unmöglichkeit von Letztbegründungen beschreibt Hans Albert (geboren 1921) als „Münchhausen-Trilemma“ wie folgt:
Wenn man „für alles eine Begründung verlangt, muss man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung … zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen.“ Das führt zur „Wahl zwischen
1)einem infiniten Regress, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert;
2)einem logischen Zirkel in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich:
3)einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde.“
Alles muss durch etwas anderes bewiesen werden, und jede Beweisführung wird sich entweder im Kreise bewegen oder als endlose Kette in der Luft hängen. In keinem Falle lässt sich etwas beweisen. ( Timon von Phlieus, 320-230 v. Chr., Schüler des Pyrrhon von Elis )
„Wenn nämlich das, aus dem etwas erkannt wird, immer aus etwas anderem erkannt werden muss, so gerät man in die Diallele oder den unendlichen Regress.Möchte man aber etwas, aus dem etwas anderes erkannt wird, als aus sich selbst erkannt annehmen, so widersteht dem, dass … nichts aus sich selbst erkannt wird. Wie jedoch das Widersprüchliche entweder aus sich selbst oder aus etwas anderem erkannt werden könnte, sehen wir keinen Weg, solange sich das Kriterium der Wahrheit
oder der Erkenntnis nicht zeigt.“ (Sextus Empiricus, 2. Jh. )
Analoges gilt für eine “letzte Wahrheit“ selbst:
Was soll an ihr wahr sein?Welche Antwort auf die Frage nach der letzten Wahrheit ist wahr? Es fehlt an einer Metaebene der Unterscheidung zwischen letzter Wahrheit und letzter Unwahrheit.
„Entweder also muss man alles als wahr oder alles als falsch bezeichnen. Ist aber einiges wahr (einiges gegebenfalls), durch welches Unterscheidungsmerkmal soll man das erkennen?“ ( Pyrrhon von Elis, ca. 360 – 270 v. Chr.; DL IX 92 )
weiss 13.09.2010, 21:59 Uhr
Danke Knut Hacker, ein schöner Text, in dem Gedanken vorkommen, die ich noch nicht gedacht habe.
Die Texte verschwinden übrigens, wenn man sich zu viel Zeit nimmt sie abzuschicken, es gibt wohl einen interne Zeitbegrenzung dafür. Copy-Paste solves. :)
weiss 13.09.2010, 22:00 Uhr
eine*
Neumann 14.09.2010, 13:04 Uhr
"Unbegreiflich" und damit unhinterfragbar war vor der Aufklärung das religiöse Weltbild: die göttliche Ordnung. Der analytische Geist der Aufklärung aber stellt fest, dass es mit den transzendenten Ordnungsmächten buchstäblich "nichts" auf sich hat, dass also die "unbegreiflichen", höheren Instanzen erklärbar und dekonstruierbar sind - und damit ihre Wirkung und Glaubwürdigkeit verlieren. Was dann passiert, und zwar im 19 Jh., lässt die Menschheit heute noch knabbern: die letzte unhinterfragbare Daseinsmacht - jenseits der Religion - ist: die pure Tatsache des Lebens. Entsprechend konzentriert sich alles Denken, Glauben und Wollen nun auf diesen Bereich: Lebensphilosophie, Reformbewegung (inkl. Freikörperkultur, Breitensport und Ernährungstherapien), Psychoanalyse und vor allem die Biologie plus die Lehre der Evolution erben nun alle Verheißungen und Energien, die die Relgionen verloren haben (nur deshalb können plötzlich Rassentheorien den Status des "heiligen" Wissens erlangen). Alle die, die mit dem "Unbegreiflichen", dem biologischen Leben, hantieren, werden nun zu Priestern und "Göttern in Weiß" wie der Arztberuf. Franz Kafka sagt in der Erzählung "Ein Landarzt" dazu: "Den alten Glauben haben sie verloren; der Pfarrer sitzt zu Hause und zerrupft die Meßgewänder, eines nach dem anderen; aber der Arzt soll alles leisten mit seiner chirurgischen Hand."
Neumann 14.09.2010, 13:06 Uhr
Will sagen: Der "neue Glaube" nach der Religion ist der an die biologischen Erklärbarkeiten dessen wie LEBEN funktioniert bzw. überhaupt stattfinden kann.
Andreas 14.09.2010, 22:27 Uhr
Ich werde mal meine Sicht schildern. Meine Sicht, da ich Gödels Beweis nicht gelesen haben und mein Wissen darüber aus populärwissenschaftlichen Literatur stammt in der zwar auch mit gewisser Strenge argumentiert wurde, allerdings nur die groben Aspekte des Beweises umrissen wurden. Zusätzlich ist das auch schon einige Jahre her.
Zunächst kann man gar nichts absolut wissen, dass sehe ich auch so und das Münchhausen-Trilemma (habe es gerade nachgeschlagen) bestätigt das ja auch.
Inwiefern dieses Trilemma allerdings dabei hilft Gödels Satz zu verallgemeinern verstehe ich nicht. Das Trilemma sagt ja, dass sich keine auf Wahrheit beweisbare Argumentationsbasis finden lässt, Gödel setzt durch ein festgelegtes formales System solch eine Basis per Definition voraus. Er zeigt, dass dieses System bei hinreichender Mächtigkeit Aussagen gestattet, die sich durch das System nicht belegen noch widerlegen lassen.
Das per Definition als "wahr" angenommene Argumentationsfundament ist zwar Punkt drei des Trilemmas (Dogma), aber das ist nun mal die einzige (und ehrlichste) Möglichkeit die man hat und daher üblich. Gödels Erkenntnis liegt ja dann im nächsten Schritt in dem die Mächtigkeit von Formalismen untersucht wird.
Sollte in diesen Gedanken irgendwo ein offensichtlicher Schnitzer befinden bitte korrigieren. Allen nicht offensichtlichen Fehlern werde ich vermutlich kaum folgen können, da ich Gödels Satz ja nicht mal genau kenne.(Und es wohl eniges an Zeit in Anspruch nehmen würde bis ich den Originalbeweis durch hätte.)
Nochmal zum Zitat, was den ganzen Kram ja angeregt hat. Meine Sicht wieder. ;)
Ich denke Goethe (der bestimmt auch das Trilemma kannte) sieht das sehr praktisch und verlangt keine Absolutheit, wenn er von Wissen redet. Wie war das bei Faust "...und sehe das wir nichts wissen können, es will mir schier das Herz verbrennen...". Wissen ist eben nur eine starke Form des Glaubens die nötig ist um in der Welt halt zu finden/ zu überleben. Bekräftigt wird es durch eine lange und stimmige Argumentationskette. Genauso nötig ist das Glauben (wie es wortwörtlich im Zitat steht) im Sinne eines tiefen Vertrauens bedingt dadurch, dass sich nicht alles auf ein festes Argumentationsfundament stellen lässt.
Knut Hacker 15.09.2010, 20:31 Uhr
Neumann,
zur Aufklärung gehört aber auch der philosophische Idealismus, das heißt die Verneinung des Gegensatzes von Wahr und Unwahr (Spezieller: Subjekt-Objekt,vergleiche auch die Quantenphysik),die sich allerdings selbst in den Schwanz beißt,da sie als wahr betrachtet wird.
Das größte Verdienst der Aufklärung aber ist die Relativierung der Vernunft auf ihre bloße Funktion als Hilfsmittel der Lebensbewältigung und die Einsicht ihrer Untauglichkeit für darüber hinausgehende Erkenntnisse.Das ist der Kern von Kants „Kritik der reinen Vernunft. In den „Antinomien“zu Raum und Zeit (und damit auch zur Kausalität als zeitlichem Begriff) hat er das begriffliche Denken ad absurdum geführt (und wird darin seit circa 100 Jahren durch die Quantenphysik bestätigt)..Das ist ein großer Paradigmenwechsel in der menschlichen Kulturgeschichte, denn noch im Mittelalter hatte man die Vernunft höher als Gott angesetzt,indem man glaubte, diesen beweisen zu können-womit Gott dem Beweis und damit der Vernunft unterläge (sogenannte Gottesbeweise Thomas von Aquins u. Anselm von Canterburrys).Kant hat aufgezeigt, dass diese Versuche ein Widerspruch in sich selbst sind.Heute glaubt kein Gläubiger mehr an Gott im Sinne von etwas Seiendem.Vielmehr wird Gott als über Sein und Nichtsein erhaben definiert, spätestens seit nach den quantenphysikalischen Erkenntnissen die Elementarteilchen weder sind noch nicht sind. Bonhoeffer hatte dies wunderschön ausgedrückt: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht!“
Knut Hacker 15.09.2010, 20:37 Uhr
Andreas,
ich bin auch kein Mathematiker, aber in der populärwissenschaftlichen Literatur, die ich verschlungen habe, wird immer darauf hingewiesen, dass er sehr um Allgemeinverständlichkeit bemüht war und selbst die Quintessenz seiner Sätze dahin zusammenfasste, dass sich nichts selbst erkennen könne, weil ihm die Metaebene fehle.
Übrigens war ja auch Albert Einstein immer um Allgemeinverständlichkeit bemüht - offenbar ein Zeichen von Genies -. Er hat die Relativitätstheorien so zusammengefasst:Wenn man sich alle Materie und Energie aus dem Weltraum wegdenkt, dann sagt der gesunde Menschenverstand, es blieben Raum und Zeit übrig. In Wirklichkeit aber bleibt dann nichts mehr übrig.
Knut Hacker 16.09.2010, 19:24 Uhr
Neumann,
deinem Zitat von Kafka aus dem „Landarzt“ möchte ich gern folgendes entgegensetzen (aus dem Vorspann Kafkas zu seiner „Theologie des Lebens“):
„Dass es uns an Glauben fehle, kann man nicht sagen. Allein die einfache Tatsache unseres Lebens ist in ihrem Glaubenswert gar nicht auszuschöpfen. `Hier wäre ein Glaubenswert ? Man kann doch nicht nichtleben.` Eben in diesem `kann doch nicht` steckt die wahnsinnige Kraft des Glaubens; in dieser Verneinung bekommt sie Gestalt.“
ZEN 02.03.2011, 10:36 Uhr
@Johann Wolfgang
>> Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen. <<
Es ist die Idee, daß
Forscher und Forschungsobjekt
zweierlei sei, die die Forschung antreibt.
ZEN
ZEN 02.03.2011, 10:38 Uhr
@Johann Wolfgang
>> Der Mensch muß bei dem Glauben verharren, daß das Unbegreifliche begreiflich sei; er würde sonst nicht forschen. <<
Für
den Verstand ist
unbegreiflich unbegreiflich.
ZEN
ZEN 02.03.2011, 10:51 Uhr
@Knut H.
>> noch im Mittelalter hatte man die Vernunft höher als Gott angesetzt <<
Leben wir also
im Mittelalter?
Denn...
gerade heute setzen wir
doch die Vernunft an die höchste Stelle.
ZEN
ZEN 02.03.2011, 11:02 Uhr
@Knut H.
>> noch im Mittelalter hatte man die Vernunft höher als Gott angesetzt <<
Das
Wunder ist
das einzig Reale;
es gibt nichts außer ihm.
~ Christian Morgenstern ~
Für
jemanden,
der es so formuliert,
steht das Göttliche an erster Stelle.
ZEN
Ein
Realist,
der Christian.
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